Mit diesem Thread möchte ich ein Thema bearbeiten, das beim ein oder anderen vielleicht auf Widerstand stösst, deswegen bitte ich hier gleich zu Anfang darum,
den Forenknigge einzuhalten, höflich zu bleiben und sachlich zu argumentieren.
Wenn sich jemand nicht daran hält, halte ich mir das Recht als Moderator vor, die entsprechenden Kommentare zu löschen und den User zu verwarnen.
Ich möchte hier über die Hilfsmittel beim digitalen Zeichnen und Malen reden und wenn möglich darüber aufklären. Ich habe schon sehr oft gehört, dass man das digitale Zeichnen ablehnt, weil das ja "viel zu einfach" sei und deswegen auch "keine richtige Kunst". Es gibt sehr viele Vorurteile, denn man denkt sich natürlich, dass einem beim digitalen Zeichnen sehr viele Hilfsmittel zur Verfügung stehen, was ja tatsächlich auch so ist.
Aber deswegen ist es nicht unbedingt einfacher. Und Zeichnen muss man trotzdem können, genau so wie man ein Gespür für Formen und Farben braucht.
Das digitale Malen ist nichts anderes als ein weiteres Medium, das man beherrschen lernen muss, genau so wie Buntstifte, Öl, Pastellkreide oder Acryl. Jedes dieser Medien hat seine Vor- und Nachteile, so eben auch das digitale Malen und Zeichnen.
Durch diesen Thread möchte ich eine Brücke zwischen digitalen und traditionellen Zeichnern schlagen. Ich selbst bin beides und kombiniere beide Medien auch gerne mal.
Ich möchte hier weder predigen noch überzeugen, aber ich möchte Tatsachen klar machen, die einem vielleicht noch nicht so klar waren und somit Vorurteile aus dem Weg räumen.
Damit möchte ich gleich mit dem ersten Thema einsteigen:
Linien-Stabilisator
Im Thread von @MrUnecht ging es darum, dass er ein Bild gepostet hat, bei dem er das Tool "Lazy Nezumi" benutzt, das man auf Windows für Photoshop runterladen kann.
MrUnecht hat noch ein Video verlinkt, das ich hier gerne ebenfalls einfügen möchte, damit ihr seht, wie dieses Tool funktioniert:
https://www.youtube.com/watch?v=1elcfKHxjXs
Damit werden Linien, die man mit dem Tablet zieht "stabilisiert", das bedeutet, dass sie nicht so wackelig werden. Bei günstigeren Tablets wird der Druck des Stiftes nicht so gut erkannt wie auf teureren, daher ist es eine günstige Alternative, dieses Tool zu installieren und trotzdem gute Linien hinzubekommen. Dazu muss auch gesagt sein, dass Photoshop eigentlich kein Zeichenprogramm ist (obwohl es mittlerweile schon viele tolle Optionen hat, die man zum Zeichnen benutzen kann, z. B. die Erkennung der Stiftneigung) und andere Programme wie Paint Tool Sai, Clip Studio Paint usw. haben dieses Tool um den Strich zu stabilisieren bereits integriert.
Diesem Tool wird allerdings vorgeworfen, dass man dadurch gar nicht richtig lernt, Linien zu zeichnen, oder überhaupt richtig zu zeichnen.
Es ist tatsächlich so, dass man erst mal mit dem Tablet lernen muss klar zu kommen. Gerade am Anfang ist es extrem ungewohnt, auf den Bildschirm zu schauen während man mit der Hand auf dem Tablet zeichnet. Natürlich sind da die Linien noch krakelig und man denkt sich schon halb "Für was für einen Sch*** hab ich da bloss mein Geld aus dem Fenster geschmissen?!", aber wenn man geduldig bleibt, wie mit allen Medien, und übt, dann gewöhnt man sich sehr schnell daran. Ungefähr so wie wenn man mit der Tastatur schreibt und sich dabei nicht auf die Finger schaut, sondern eben auf den Bildschirm.
Dann muss man sich auch noch mit den ganzen Werkezeugen im Programm zurechtfinden. Für was benutze ich was? Wie geht das? Was macht das? Und Tastaturkürzel gibts auch noch! Ihr seht, das ist ziemlich viel, mit dem man sich befassen muss.
Wenn man das Tablet aber immer noch nicht in den nächsten Ecken geschmissen hat, dann merkt man schnell, dass es mit dem Zeichnen immer besser geht. Man merkt aber auch, dass es nicht das selbe ist, wie mit dem Bleistift zu zeichnen. Oder dem Buntstift. Oder Fineliner. Oder überhaupt irgendeinem Stift, den man vom traditionellen Zeichnen her kennt.
Denn es ist eben digitales Zeichnen. Und digitales Zeichnen funktioniert anders, als das traditionelle Zeichnen.
Beim traditionellen Zeichnen macht man einen Strich und er sitzt... mehr oder weniger da, wo man ihn haben will, denn man kann ja aufs Blatt schauen, während man ihn zeichnet.
Aber beim digitalen Zeichnen, gerade mit einem Tablet ohne Bildschirm, sieht man nicht, wo man zeichnet. Und man macht einen Strich auf gut Glück. Jedes mal wenn man einen Strich zeichnet. Somit muss man manchmal 10x einen Strich zeichnen, bis er sitzt, wie man ihn haben will. Damit da nun nicht 10 Striche auf dem (digitalen) Blatt übereinander liegen, drückt man die "allmächtige" und allseits beliebte Tastenkombination "Ctrl Z" (oder auch Ctrl Y, wenn man die Finger nicht die ganze Zeit so spreizen will, dass sie irgendwann weh tun). Diese Tastenkombination bewirkt in allen Programmen, dass man "einen Schritt rückwärts" gehen kann. Ja tatsächlich in allen Programmen, auch in Word. Und auch in Browsern! Probierts mal aus
Das Problem, dass man durch das Tool "Lazy Nezumi" nicht zeichnen lernt, bzw. nicht lernt, gerade striche zu ziehen, ist somit völlig unberechtigt. Denn dadurch, dass man am PC ja sowieso gefühlt (wenn nicht gar in real) 1000 mehr Striche zieht, als wenn man ein traditionelles Bild malt, und diese auch mit Schwung zieht, damit sie gerade sind, lernt man dadurch sehr akkurate, gerade und dynamische Linien zu zeichnen, was einem auch im traditionellen Zeichnen helfen kann.
Als Vergleich möchte ich hier folgendes Beispiel nennen: Ich zeichne meine Outlines normalerweise nur mit Finelinern. Diese haben kein "Lineweight", was so viel heisst wie, dass die Liniendicke nicht variiert, die Linie bleibt immer gleich dick. Nun habe ich versucht mit der Feder zu zeichnen, welche in ihrer Liniendicke variiert und merke, dass ich extrem wackelige Linien ziehe. Ich habe überhaupt kein Gefühl für die Feder, weil ichs mir bisher immer nur gewöhnt war, mit dem Fineliner zu zeichnen. Aber mit der Zeit lerne ich, die Feder schneller zu ziehen, Punkte auf dem Papier anzuvisieren und die Feder schwungvoll dort hin zu ziehen. Und siehe da: Ich lerne nicht nur, mit der Feder besser zu werden, sondern auch mit dem Fineliner, weil ich eben mittlerweile auch damit geschwungenere Linien ziehe.
Ich hoffe, meine Ausführungen haben euch geholfen, den "Stabilisierer" oder eben "Lazy Nezumi" besser zu verstehen und euch die Sorge genommen, dass dadurch das Zeichnen "herabgestuft" wird.
So verhält es sich eigentlich mit allen Tools und Programmen, die man online benutzt: Man kann damit vielleicht schneller arbeiten, aber die "Skills" muss man trotzdem haben, um sie anwenden zu können.