Der Empfehlung von Himmelblau folgend will ich versuchen aufzuschreiben, was ich von meinen Bildern erwarte, wo ich stehe und wohin ich möchte. - Ich erwarte jetzt nicht unbedingt, dass dies überhaupt jemand liest; ich schreibe es vorwiegend für mich selbst.
Dies alles kann man nur richtig zuordnen, wenn man weiß, dass ich im Herbst 2017 in die Gruppe stieß. Damals besaß ich zwei Bleistifte, einen Radierer und einen Spitzer, sowie einen Schul-Zeichenblock. Und ich sah, was hier alles abging. Bald hatte ich Farbstifte, gleich das 72-er Set (wenn schon, denn schon) - mehr als 2 Bilder habe ich damit nicht gemalt. Aquarellfarben kamen dazu, wobei ich schnell merkte, dass dies nicht meine Welt ist. Als ich Rötel und Zeichenkohle kennenlernte, wurden sie schnell zutraulich. Aber immer noch hatte ich das Gefühl, dass ich zu Farben keinen rechten Zugang hätte. Ein wenig besserte sich das, als ich den Pastellkreiden vorgestellt wurde. Mittlerweile werden es einige hunderte unterschiedliche Kreiden sein (wenn schon denn schon)... und immer noch nehme ich lieber Graphit, Kohle oder Rötel. Meine Motive finde ich - die meisten werden überrascht sein - in der Landschaft. Hin und wieder versuche ich mich mit wechselndem Erfolg auch an anderen Objekten, komme jedoch immer wieder auf die Landschaft zurück. Zu Anfang war es das von einem Foto abgemalte Motiv, danach entstanden "Fantasie-Landschaften".
Aber zurück zu der zentralen Frage: wonach beurteile ich meine Bilder und wo möchte ich hin. Fantasie-Landschaft hört sich jetzt vielleicht ein wenig... sagen wir mal unspektakulär an, aber auch eine vorgestellte und ausgedachte Landschaft muss bestimmten Regeln und Gesetzen gehorchen, wenn sie einigermaßen realistisch wirken soll. Solche Regeln - nur ganz kurz - sind z.B. Perspektiven, die Auswirkung von Licht (nämlich Schatten), Tiefenschärfe usw. Wenn auch nur ein Punkt nicht oder nicht genügend berücksichtigt wird, geht in meinen Augen der Realismus verloren.
Damit ist ein wichtiges Stichwort gefallen: Realismus oder realistisch zeichnen. Damit ist für mich nicht gemeint ein wie auch immer gearteter Fotorealismus, der versucht, die Wirklichkeit so exakt wiederzugeben, dass man das Bild nicht vom Original (oder einem Foto unterscheiden kann. Für ich ist ein Bild realistisch, wenn es die wesentlichen Merkmale so wiedergibt, wie sie in der Realität sind (oder wären, wenn das Objekt ein reales wäre). Allerdings nicht alle Merkmale, sondern nur die und nur so viele, wie unbedingt nötig sind. Wenn ich einen Baum zeichne, muss ich nicht jedes einzelne Blatt, bei einem Kopf nicht jedes einzelne Haar malen. Die Frage ist immer: was kann ich weglassen, ohne dass die Erkennbarkeit verloren geht.
Lasse ich zu wenig weg, ist das Bild überladen, wird zu viel weggelassen, bleibt einem das Bild und seine Aussage fremd. Den Vorgang des Weglassens bezeichne ich als Abstrahieren. Ich will keine "abstrakte Kunst" schaffen, sondern suche eine Weg , durch abstrahieren das Wesentliche herauszustellen. Das "Wesentliche" liegt für mich u.a. in Form, Struktur und Farbe. Ein Beispiel:
Vor kurzem zeichnete ich das Bild einer Rose nach einer Fotovorlage. Als ich fertig war, bzw. aufhörte zu zeichnen, war ich enttäuscht. Ich hatte zwar eine erkennbare Rose gezeichnet, aber weder Form, noch Struktur oder Farbe des Originals konnte ich in dem Bild wiederfinden. Es waren irgendwelche Blütenblätter gezeichnet, die in ihrer Struktur nichts mit dem Original zu tun hatten. Die Farbe war nicht nur nicht getroffen, sondern durch irgendwelche anderen helleren oder dunkleren Farben verfälscht - es sollten Spitzlichter und Schatten sein. Die Größenverhältnisse der einzelnen Blätter zueinander hatte ich überhaupt nicht berücksichtigt. Form, Farbe und Struktur waren gründlich daneben gegangen. Trotzdem bekam ich nicht nur Lob, sondern wurde auch... sagen wir ermahnt, dass ich zunächst sagen würde, es sei daneben gegangen und dann käme doch ein gutes Bild raus.
Klar - außer mir kannte keiner das Original und eine Rose war zu erkennen. Also musste das doch ein brauchbares Bild sein. Das ist für ich ein Dilemma; denn ich wollte diese Rose zeichnen, die Betrachter hier im Forum sahen nur irgend eine Rose.Diese eine Rose für mich nicht realistisch, für andere weitgehend schon. Das lässt sich notwendigerweise nicht unbedingt und einfach lösen. Wenn ich z.B. eine bestimmte Tasse malen möchte, ist das Bild für jeden, der eine Tasse erkennen kann, in Ordnung, auch wenn es mit der eigentlich zu malenden Tasse nichts mehr zu tun hat. Lösen könnte man es nur dadurch, dass man ein Foto gegenüber-stellt.
Jetzt komme ich zu des Dackels Kern: wo möchte ich hin. Die Fehler, die bei der Rose beschrieben wurden, sind ja nicht die Fehler der anderen, der Betrachter, sondern meine Fehler. Ich möchte schlicht dahin kommen, dass diese Fehler abgestellt werden. Teil sind es "nur" Flüchtigkeitsfehler (also sorgfältiger und systematische arbeiten), teils sind es "handwerkliche" Fehler, z.B. mein fehlerhaftes Farbempfinden oder die Unfähigkeit, das gesehen aufs Papier zu bringen. Manchmal, ganz selten entsteht ein Bild, bei dem ich sagen darf: das ist OK. In den allermeisten Fällen stelle ich Unstimmigkeiten fest. Solange Unstimmigkeiten da sind, habe ich den angestrebten Zustand nicht erreicht.
Um meine Mitmenschen nicht auf die Nerven zu fallen, sollte ich nicht pauschal anmerken "Bild ist schlecht!", sondern exakt sagen, was schlecht ist. - Oder sollte ich besser gar nichts sagen? Das Bild loben lassen, wohl wissend, das es eigentlich für die Tonne ist? Das wäre meier Meinung nach der falsche Weg.Auf diese Weise werde ich keine Kritik bekommen können, die angemessen ist. Wenn ich möchte, dass mein Bild korrekt eingeschätzt wird, müssen Fehler in Form Farbe und/oder Struktur benannt werden.
Ei du mei weri best!