Also, ich habe das Abzeichnen noch nie wirklich so genau beleuchtet, will das aber gerne an dieser Stelle mal probieren.
Zunächst sehe ich bei meiner Person zwei wichtige Aspekte:
1. Ich entlaste durch eine Vorlage mein Gedächtnis und gleiche mangelnde Vorstellungskraft aus.
2. Ich übe die Technik direkt am Bild und "verschwende" nicht Unmengen von Papier mit "sinnlosen" Übungssequenzen, die ich eh nie an die Wand hängen würde. Es befriedigt mich mehr, "etwas Ganzes" geschaffen zu haben und trainiert vorhandene Fähigkeiten.
Insgesamt bedeutet das wohl so was wie "Durch die Hand in den Kopf"-Lernen.
Im Gegensatz zu PencilHB und BlueThunder, werde ich aus diesem Stadium aber wohl nie heraus kommen. Mein Gedächtnis speichert einfach keine Details, ich kann frei nur etwas zeichnen, was ich wirklich seeehr gut kenne (nur Pferde), d.h. ich habe zwar ein gutes Auge für die Details rund um mich herum, aber nicht die nötige Speicherkapazität. Mit ein wenig Glück lerne ich beim Abzeichnen den Gegenstand, den ich zeichne so kennen, dass ich eine logische Gesetztmäßigkeit in meinem kleinen Speicher finde, die darauf passt und ich nur eine solche Zuordnung herstellen muss, um den Gegenstand ein zweites Mal aus dem Gedächtnis zeichnen zu können. Gibt es diese ZUordnung nicht, klappt das freie Zeichnen auch nicht.
Ich habe nicht umsonst Mathematik studiert. Der Mathematiker löst in den meisten Fällen das Problem nicht, sondern führt es auf ein bereits gelöstes Problem zurück, von dem er im Idealfall weiß, dass es eine Lösung besitzt und diese auch noch eindeutig ist. Damit ist seine Arbeit beendet.
Wenn ich ein ganzes Bild male, obwohl ich "nur" eine einzige Sache üben oder erlernen will, so handle ich diesem mathematischen Charakter ein wenig entgegen und löse auch noch Probleme, die ich schon vorher gelöst hatte. Damit trainiere ich sie immer und immer wieder, bis sie hoffentlich auch "ohne Regeln", ähnlich wie Vokabeln einer Fremdsprache, im Gedächtnis bleiben und automatisch abrufbar werden. Diese "Detail-Vokabeln" ergänzen dann das nur schemenhafte Bild meiner Vorstellung, was dazu führt, dass ich wieder losrenne und das Referenzbild suche, weil ich mir unsicher bin, ob ich es richtig im Kopf habe. Also lande ich zwangsläufig wieder beim Abzeichnen.
Fazit also: Für die Zeit in der ich mit dem Abzeichnen eines Gegenstandes beschäftige, kenne und erkenne ich diesen auch recht gut, da aber das Gedächtnis fast nichts davon speichert, lerne ich den Gegenstand auch nicht für die Zukunft genügend gut kennen. In der Zeit, wo ich mich aber mit ihm beschäftige, macht es mir Freude ihn zu studieren. Es ist wie eine Entdeckungsreise.
Was sich aber beim Abzeichnen wirklich nachhaltig Entwickelt ist das Gespühr für das Material und dessen Verhalten. Ich lerne, wie sich das Papier und seine Struktur auf die Farbe und die Farbe sich auf das Papier auswirkt, wie sich Bleistifte unterschiedlicher Härtegrade anfühlen und wann sie einzusetzen sind, wie Pastellfarben sich in schichten übereinander auswirken, etc.
All das würde ich auch beim freien Zeichnen/Malen lernen, würde dabei aber mein Gehirn/Gedächtnis so strapazieren und ermüden, dass es nur zu einem schlechten Gesamtbild reichen würde. Diese wiederum würde mich frustrieren und mir eben keine Freude machen.
Also zeichne ich in der Regel ab, was mir gefällt und tobe mich mit unterschiedlichen Materialen aus, bei denen ich dann immer wieder was neues dazu "erfühle" und erlebe, was dann auch in meinem Gehirn gespeichert wird.
Und ganz wichtig: Es gibt ein definiertes Ziel (das fertige Bild als "Kopie" der Vorlage) auf das ich zusteuern kann und ich irre nicht umher und versuche alles auf einmal, komme vom Hölzchen auf´s Stöckchen oder verliere gänzlich den roten Faden.
So, das waren jetzt mal so meine ersten Gedanken zum Thema Abzeichnen.
Als Kind und Jugendliche habe ich immer durch Immitation am besten gelernt. Sprich, ich habe zugeschaut wie ein anderer was macht und habe dann im stillen Kämmerlein (Versagensangst vor Anderen?) probiert es nach zu machen. Wie daraus logisches Denken, Übertragen auf unbekannte Probleme und Entwickeln eigenständiger Lösungen geworden ist, habe ich noch nie kapiert. Irgendwann konnte ich einfach Dinge, ohne dass ich wusste woher ich sie gelernt hatte. Da ich eine Pause in meinem zeichnerischen Leben gemacht, und erst vor ein paar Monaten wieder angefangen habe, bin ich entwicklungstechnisch gesehen auf dem Stand des Jugendlichen stehen geblieben und weiß noch nicht, ob es nicht doch eines Tages auf diesem Gebiet ähnlich sein wird und das freie Zeichnen und Malen von ganz alleine plötzlich passiert, aber hoffen tue ich es im Unterbewusstsein wohl.